Ethische Unternehmensführung im Zeitalter der Globalisierung
Die Direktorin der Moskauer Repräsentanz der Nichtregierungsorganisation „Human Rights Watch“, Anna Sevortian, warb in ihrem Einführungsvortrag für eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema Menschenrechte: „Die Verantwortung für die Einhaltung der Menschenrechte ist eine gemeinsame Aufgabe des Staates, der Unternehmen und der nichtstaatlichen Organisationen“, sagte sie. „Ziel sollte die Einhaltung der internationalen Standards sein, die 1948 von den UNO-Mitgliedsstaaten im Rahmen der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vereinbart wurden.“ Dies werde zunehmend auch von Unternehmen erkannt, jedoch fehle es häufig an geeigneten Instrumenten, um auf Menschenrechtsverletzungen angemessen reagieren, und an effektiven Kontrollmechanismen im eigenen Unternehmen und bei Subunternehmern.
Ein Schlüsselbereich der russischen Wirtschaft, der von Human Rights Watch 2009 im Bericht „Are You Happy to Cheat Us? Exploitation of Migrant Construction Workers in Russia“ untersucht wurde, ist die Baubranche. Im Bericht von HRW sind zahlreiche Fälle von Verletzung der Rechte von Arbeitsmigranten in diesem Bereich dokumentiert. Viele von ihnen leiden unter Ausbeutung und Verstößen von Seiten der Arbeitgeber, der Arbeitsagenturen und anderer Vermittler, sie erleben Misshandlungen und Willkür durch die Miliz und andere Staatsorgane. „Im Kontext des riesigen Maßstabs von Bautätigkeit für die Olympischen Spiele in Sotschi ist ein Monitoring der Arbeitsmigration ein wichtiger Bereich unserer Arbeit“, erläuterte Sevortian. „Die Vorbereitung der Olympiade könnte mit massenhafter Verletzung der Menschenrechte einhergehen.“
Mit der Frage „Wie garantieren Unternehmen die Einhaltung von sozialen Normen?“ wurde die Diskussion zu diesem Thema auf dem folgenden Panel fortgesetzt. Narmina Borisova, Corporate Development Director des Projektentwicklungsunternehmens „Alcon Development“ in Moskau berichtete von den Bemühungen von Unternehmen im russischen Bausektor, einheitliche Standards in den Bereichen Arbeitsschutz, Gesundheit sowie Aus- und Weiterbildung von Mitarbeitern zu entwickeln. Zugleich besinne sich die Branche zunehmend auf die zu Zeiten der Sowjetunion verbreitete Übernahme von sozialer Verantwortung über die Grenzen des Unternehmens hinaus. „Das, was andere Länder getan haben, müssen wir jetzt nachholen“, berichtete Borisova. „Es muss eine ganz neue Unternehmenskultur herbeigeführt werden.“
Compliance in Unternehmen
Dr. Andreas Pohlmann, seit Mai 2010 Vorstand Compliance & Administration bei der Ferrostaal AG in Essen und zuvor Chief Compliance Officer bei der Siemens AG in München, berichtete aus der Praxis von zwei Unternehmen, die aufgrund von Korruptionsvorwürfen im Licht der Öffentlichkeit standen, und gegen die strafrechtliche Ermittlungen aufgenommen wurden. Dabei stünden diese Unternehmen bei Weitem nicht allein: „Korruption ist keine Randerscheinung. Es geht um bedeutende Vergehen im Bereich der Wirtschaftskriminalität“, so Dr. Pohlmann. Jedem Unternehmen, das Korruption zulässt, drohten neben Strafzahlungen und Inhaftierung von Mitarbeitern ein schwer reparabler Reputationsverlust in der Öffentlichkeit, bei Geschäftspartnern und Kunden und eine Belastung der Atmosphäre im Unternehmen. Die Einhaltung von Compliance-Regeln läge dabei im ureigenen Interesse der Unternehmen. „Wichtig ist dabei, dass ethische Prinzipien im Unternehmen implementiert werden, indem sie nicht nur kommuniziert, sondern auf allen Hierarchieebenen gelebt werden, gemäß dem Prinzip Walk the Talk.“
Neben einem internen Kontrollsystem erweise sich eine Compliance-Komponente als Bestandteil des Bonussystems als wirksamster Hebel, die Integrität der Führungskräfte sicherzustellen und zu stärken. In jüngerer Zeit fänden sich immer mehr Unternehmen zusammen, die sogenannte „Integrity Pacts“ schlössen, in denen sie sich auf gemeinsame Compliance-Standards im Wettbewerb und bei Ausschreibungen verpflichten. Solche „Kartelle der Guten“, wie zum Beispiel die von der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK) mitgetragene „Corporate Ethics Initiative for Business in the Russian Federation“ von April 2010 leisteten einen Beitrag dazu, dass Compliance nicht zum Wettbewerbsnachteil würde. Langfristig stünden Unternehmen mit einem untadeligen Ruf auf der Gewinnerseite.
Die lebhafte Diskussion über das Thema Compliance wurde am Nachmittag beim Erfahrungsaustausch unter den Teilnehmern der Deutsch-Russischen Gespräche in einer Arbeitsgruppe fortgesetzt. Weitere Arbeitsgruppen widmeten sich den Themen Logistik/Transport und den Beziehungen Russlands zu China und den anderen BRIC-Staaten.