Verantwortung von Unternehmen in Wirtschaft und Gesellschaft
Wie definieren Unternehmen in Deutschland und Russland ihre Rolle in der Gesellschaft? Welche unterschiedlichen Ansätze gibt es für soziales und ökologisches Engagement? Dieses Themenfeld beschäftigte die Seminarteilnehmer am Abschlusstag der 2. Deutsch-Russischen Gespräche. Dabei wurde deutlich, dass es historisch bedingt erhebliche Unterschiede gibt: Während deutsche Konzerne über ihr Engagement frei entscheiden können und dabei individuelle Schwerpunkte setzen, die oft mit ihrer Kernkompetenz in Verbindung stehen, üben Staat und Gesellschaft in Russland einen erheblichen Druck auf Unternehmen aus. Die Übernahme originär staatlicher Aufgaben durch die Firmen, wie die Betreuung von Kindern und die medizinische Versorgung, wird oft noch als selbstverständlich angesehen, insbesondere in den 400 russischen Monostädten, deren Entwicklung überwiegend von einem einzigen Firmenkomplex abhängig ist.
Soziale Verantwortung und Nachhaltigkeit
Olga Golodets, Vorstandsvorsitzende des Kommittees für Corporate Social Responsibility im Russischen Manager Verband, beklagte in Ihrem Eingangsstatement, dass Unternehmertum in Russland als solches keine Wertschätzung in der Gesellschaft erfahre. „Steuern zahlen, Arbeitsplätze schaffen, Waren herstellen – schon anhand dessen kann man Unternehmer als sozial verantwortlich betrachten. Aber diese Meinung wird von der Bevölkerung nicht geteilt.“ Dies sei auch ein Erbe der Sowjetunion, das sich auf die jüngere Generation übertragen hätte. „Unternehmer sein als Wert steht nicht hoch im Kurs. Zudem halten die Leute es für selbstverständlich, dass das Unternehmen die Verantwortung für die Kinderbetreuung und die medizinische Versorgung übernimmt“, so Golodets. Der russische Staat wiederum versuche häufig, soziale Aufgaben auf Unternehmen abzuwälzen. „Wir erleben, dass Unternehmen in der Krise Entlassungen ankündigen, und dann seitens der Regierung Druck auf die Unternehmensführung ausgeübt wird, dies zu vermeiden.“ Das russische Arbeitsrecht sei derartig kompliziert, dass nur 20 Prozent der Unternehmen die Gesetze überhaupt einhielten, schätzt die Referentin. Ähnlich sehe es im Umgang mit der Umwelt aus. Viele Unternehmen würden hier die meist geringen Strafen in Kauf nehmen, anstatt Umweltverschmutzung komplett zu vermeiden. „Die Umwelt wird sträflich vernachlässigt“, so ihr Fazit. Bewegung hat Olga Golodets dagegen beim sozialen Bewusstsein der russischen Unternehmer beobachtet. So habe man inzwischen eine Charta für soziale Verantwortung der Privatwirtschaft entwickelt.
Oleg Tsvetkov, Sekretär des Aufsichtsrates von Severstal, und Dr. Hans-Ulrich Engel, Vorstandsmitglied von BASF, beschrieben anschließend das gesellschaftliche und ökologische Engagement ihrer Konzerne, bei denen jeweils rund 100.000 Menschen beschäftigt sind. Dabei stellte Engel klar, dass hinter dem Engagement der BASF weniger „Altruismus“ als vielmehr handfeste wirtschaftliche Interessen stünden. Bereits im Jahr 2002 habe man Nachhaltigkeit zu einem der vier wichtigsten Unternehmensziele erklärt. So solle die Emission von Treibhausgasen beispielsweise zwischen 2002 und 2020 um 25 Prozent verringert werden. Bislang sei bereits eine Reduzierung um 14 Prozent gelungen. Die Energieeffizienz konnte von 2002 bis 2008 bereits um 22% gesteigert werden. „Energie ist teuer geworden. Mittelfristig werden wir uns wieder auf Ölpreise über 100 Dollar pro Barrel zubewegen. Das zwingt uns dazu, unseren spezifischen Energie- und Rohstoffeinsatz immer weiter zurückzuführen.“ Dies liege auch im Interesse der Shareholder.
Zum sozialen Engagement der BASF rechnet Engel beispielsweise die Beteiligung an regionalen Ausbildungsverbünden. In Ludwigshafen stelle man hier Kapazitäten für kleinere und mittlere Unternehmen zur Verfügung, die sich keine eigene umfassende Ausbildung leisten könnten, berichtete das BASF-Vorstandsmitglied. 2009 habe man zudem mit dem bangladesischen Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus ein Joint Venture gegründet mit dem Ziel, die Gesundheitsversorgung und den Aufbau von Geschäftsmöglichkeiten für Menschen aus armen Bevölkerungsschichten zu verbessern. Dabei würden in einem ersten Schritt Kinder und Arme in Bangladesh mit Vitaminpaketen und Moskitonetzen unterstützt. „Wir lernen daraus etwas für die Vermarktung unserer Produkte in diesen Ländern“, schlug Engel die Brücke zum operativen Geschäft. In Russland unterstützt die BASF die Renovierung eines Palastes bei St. Petersburg, obwohl die Zahl der Mitarbeiter im Lande mit 500 relativ klein sei. Allerdings erhofft sich der Konzern insbesondere mit Projekten zur Einsparung von Energie in Russland einen stark wachsenden Markt.
Oleg Tsvetkov veranschlagte die Ausgaben von Severstal für wohltätige Zwecke im Jahr 2008 mit rund 75 Millionen Dollar. Diese Mittel seien für die Förderung von Kunst und Kultur, Sport und Familie aufgewendet worden. Er stellte das Unternehmensprogramm „Weg nach Hause“ für Sozialwaisen und Straßenkinder vor. Das Krisenjahr 2009 habe Abstriche in den sozialen Programmen des Unternehmens notwendig gemacht, die grundlegende Ausrichtung habe man jedoch beibehalten. Darüber hinaus habe die Krise neue soziale Initiativen zur Unterstützung weiterer Bevölkerungsgruppen im Arbeitsumfeld von Severstal hervorgebracht.
Schlussbemerkungen der Kooperationspartner
In der letzten Diskussionsrunde des Seminars kamen am späten Samstagvormittag dann die Geschäftsführer der drei Träger der Deutsch-Russischen Gespräche Baden-Baden zu Wort. Robert Bosch Stiftung, Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft und BMW Stiftung Herbert Quandt stellten sich jeweils kurz vor und ordneten das Seminar in ihr eigenes gesamtgesellschaftliches Engagement ein. Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung GmbH – mit fünf Milliarden Euro Vermögen die größte deutsche Stiftung privaten Rechts –, beschreibt die Robert Bosch Stiftung als „Unternehmerstiftung“, da die Stiftung 92% des Unternehmens hält. Als Eigner bezieht die Stiftung Dividende, besitzt aber keine Stimmrechte und damit keinerlei Einfluß auf die unternehmerische Entscheidung.
Eine wesentliche Verantwortung der Stiftung sieht sie nicht nur gegenüber dem Unternehmen und seinen Mitarbeitern, die die Dividende erwirtschaften sondern ebenso gegenüber dem Staat, der auf Steuern verzichtet. Der Staat fördert das Stiftungswesen in dem Bewußtsein, dass Stiftungen flexibler und effizienter als staatliche Institutionen dem Gemeinwesen Impulse geben könnten. Die Robert Bosch Stiftung setze in ihrem Engagement aktuell zwei große Schwerpunkte. Bildung, einschließlich Integration, und Zivilgesellschaft. „Bildung ist das Thema Nummer 1. Wir brauchen mehr kluge Leute. Und nur durch Bildung können wir Armut verhindern“, erklärte die Geschäftsführerin. Außerdem wolle man die Eigenverantwortlichkeit junger Menschen und damit auch die Zivilgesellschaft stärken. Russland sei ein herausragendes Partner-Land der Stiftung. 2 Millionen Euro investiert die robert Bosch Stiftung jährlich in bilaterale Projekte in Russland. Hamm hebt besonders die von der Robert Bosch Stiftung und dem Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft getragenen Stiftung Deutsch-Russischer Jugendaustausch hervor, die jährlich Tausende Schüler und Jugendliche unterstützt. Entsprechend hoch sei die Bedeutung der Deutsch-Russischen Gespräche Baden-Baden.
Prof. Dr. Rainer Lindner, Geschäftsführer des Ost-Ausschusses, berichtete in seinem auf Russisch vorgetragenen Referat direkt aus der Arbeitspraxis des Ost-Ausschusses, der in den nächsten Wochen unter anderem Reisen von hochrangigen Wirtschaftsdelegationen nach Moskau zu Ministerpräsident Wladimir Putin, nach Minsk zur belarussischen Staatsführung und in drei zentralasiatischen Länder durchführe. „Wir sind weniger eine Lobby-Organisation, sondern betreiben Wirtschaftsdiplomatie“, erklärte Lindner. „Wir sind auf der Ebene der Regierungen tätig, um die Rahmenbedingungen für Investoren auf den Märkten zu verbessern.“ Die Pflege von Netzwerken über Ländergrenzen hinweg sei eine wichtige Aufgabe, die Deutsch-Russischen Gespräche Baden-Baden entsprechend von hohem Wert. „Die Förderung von qualifiziertem Nachwuchs gehört zu den tragenden Säulen unserer Arbeit“, sagte Lindner und verwies auf weitere Projekte, an denen der Ost-Ausschuss beteiligt ist, wie ein deutsch-russisches Programm zur Ingenieursfortbildung und den Deutsch-Russischen Jugendaustausch.
Markus Hipp betonte schließlich in seinem Statement als Geschäftsführer der BMW Stiftung Herbert Quandt das Ziel, Menschen über die Grenzen ihrer gewohnten Sektoren hinweg zusammenzuführen. Verwaltungsbeamte, Unternehmer und Vertreter von Nichtregierungsorganisationen sprächen in der Regel völlig verschiedene Sprachen. „Wir wollen hier Mehrsprachigkeit fördern. Dann können wir beginnen, Türen von innen aufzuschließen und zu neuen Formen der Kooperation kommen.“ So sei es für Unternehmen unter Umständen sinnvoller, nicht in neue Sicherheitstechnik oder die Beseitigung von Vandalismus zu investieren, sondern die Sozialeinrichtungen im Stadtteil zu unterstützen, um die Probleme bei der Wurzel zu packen. „Das kann am Ende betriebswirtschaftlich viel sinnvoller sein.“ In Richtung der Seminarteilnehmer sagte Hipp: „Wir wollen dazu einladen, transsektoral zu denken. Sie selbst können diejenigen sein, die diese Türen öffnen.“