Die Finanzkrise und ihre Ursachen
Am zweiten Tag der 2. Deutsch-Russischen Gespräche Baden-Baden rückte die Analyse der Wirtschaftskrise und ihre Auswirkungen auf beide Länder in den Mittelpunkt.
Dr. Sergey Vasiliev, Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der staatlichen Vneshekonombank (VEB) zeigte sich in seinem Eingangsstatement vorsichtig optimistisch über den Verlauf der Krise. Insgesamt seien die wirtschaftspolitischen Reaktionen auf die Krise schnell und adäquat erfolgt. Dadurch sei die Weltwirtschaft nun relativ schnell durch die Talsohle gekommen. Fraglich sei allerdings, wie nachhaltig die Erholung ausfalle. Vasiliev führt die Ursachen für den Konjunktureinbruch auf die makroökonomische Politik der vergangenen 15 Jahre zurück: „Die Finanzsysteme waren zuletzt nur noch schwach reguliert. Die Aufsicht hat sich verschlechtert.“ Die Zentralbanken hätten die Krise noch befördert, weil sie die Bekämpfung der Inflation zum wichtigsten Maßstab ihrer Tätigkeit erklärt hätten. Durch eine Politik niedriger Zinsen seien Blasen auf dem Immobilienmarkt und auf dem Wertpapiermarkt begünstigt worden.
Für die Finanzsysteme müssten als Konsequenz aus der Krise nun drei wesentliche Punkte beachtet werden: Die Basel II Standards seien zu überprüfen, da sie in der Krise prozyklisch gewirkt hätten. „Sobald eine Krise einsetzt, hat man mit Basel II sofort ein Problem mit der Kapitalausstattung der Finanzmärkte“, kritisierte Valiliev. Zudem müssten die Arbeit der Ratingagenturen und die Buchhaltungsstandards überprüft werden. Schließlich seien sogar Banken mit einem guten Rating in Schwierigkeiten geraten. „Auch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften haben ihre Arbeit nicht immer so gemacht, wie es notwendig gewesen wäre“, merkte Vasiliev an. Als dritten Punkt nannte der Ökonom das System der Bonus-Zahlungen für Manager. Die dazu von den G20-Ländern getroffenen Vereinbarungen sieht der Ökonom sehr kritisch. Die Einmischung der Politik in das Gehaltssystem von Bankinstituten käme in letzter Konsequenz einer Nationalisierung der Banken gleich. „Können Politiker entscheiden, wie Manager zu zahlen sind?“, fragte sich Vasiliev und gab gleich die Antwort: „Kein staatliches Management kann so effizient sein, wie ein privates.“ Nötig seien hingegen eine bessere Bankenaufsicht und insgesamt transparentere Märkte, um entstehende Risiken besser beurteilen zu können.
Für Russland forderte Vasiliev den Aufbau eines eigenen Finanzmarktes, um nicht auf Zuflüsse aus dem Ausland angewiesen zu sein. Insgesamt habe die Bekämpfung der Krise zu einem starken Anstieg der Verschuldung geführt. „Eine zweite solche Krise würden die staatlichen Haushalte nicht aushalten.“
Zur Zukunft der deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen äußerte sich der stellvertretende VEB-Vorstandsvorsitzende sehr positiv. Deutschland sei momentan das einzige Land, dass noch in nennenswertem Umfang in Russland investiere. „In den nächsten fünf Jahren wird es in Russland zur technischen Umrüstung von Industriebetrieben kommen und Deutschland hat gute Chancen, bei diesem Prozess dabei zu sein.“ Dazu wünscht sich Vasiliev auch Investitionserleichterungen für ausländische Unternehmen in Russland. Diese sollten sich stärker beteiligen können. „Wir sind in der Phase der Globalisierung. Wer Eigentümer eines Unternehmens ist, ist letztlich egal.“
Ähnlich äußerte sich anschließend der russische Großunternehmer Alexander Lebedev: „Wir müssen in Russland solche Termini wie ausländischer oder nicht-ausländischer Investor vergessen. Das spielt doch gar keine Rolle.“ Um mehr Investoren ins Land zu locken müssten zudem die Eigentumsrechte an Grund und Boden in Russland endlich geklärt werden. Lebedew, der unter anderem Vorsitzender des Direktorenrats der russischen National Reserve Bank ist, diskutierte mit dem Deutsche-Bank-Vorstandsmitglied Jürgen Fitschen und den Seminarteilnehmern über mögliche Antworten auf die Wirtschaftskrise. Dabei bedauerte er insbesondere den deutlichen Rückgang bei deutschen Exporten nach Russland. Schließlich sei Innovation auch eine Antwort auf die Krise und die Modernisierung der russischen Wirtschaft dringend erforderlich. Lebedew illustrierte dies am Beispiel der Landwirtschaft: „Es gibt in Russland 40 Millionen Hektar unbearbeitetes Land und einige hundert Unternehmen, die Bedarf an deutscher Technik haben.“
Jürgen Fitschen warnte in seinem Statement, dass die Krise noch längst nicht ausgestanden sei. Die Antikrisenmaßnahmen der Bundesregierung seien angemessen gewesen, weil der Bankenmarkt und mit ihm die Realwirtschaft nach der Pleite der Lehman-Bank vor dem Kollaps gestanden habe. Aber die Frage nach einer Exit-Strategie für den Staat sei noch längst nicht beantwortet. „Wir haben eine exzessive Verschuldung vom privaten auf den öffentlichen Sektor übertragen. Das ist noch nicht die Lösung der Krise“. Noch immer gebe es weltweit massive Überkapazitäten und Blasen, nicht nur auf dem Kreditmarkt sondern auch in der Realwirtschaft. Fitschen nannte den Automarkt und den Schiffsbau als Beispiel. Krisen als solche würden auch in der Zukunft kaum zu verhindern sein. „Wir müssen aber vermeiden, dass Krisen die gesamte Weltwirtschaft schädigen können.“ Bei der notwendigen Regulierung des Bankenmarktes müsse man darauf achten, dass der Finanzwirtschaft genug Luft zum Atmen gelassen werde. Schließlich habe hier ein liberaleres System in der Vergangenheit der Welt auch enorme Wachstumserfolge ermöglicht.