Russlands Rolle in den internationalen Beziehungen
Russlands Rolle in den internationalen Beziehungen war das Thema des ersten Tages der Deutsch-Russischen Gespräche. Einig waren sich alle Teilnehmer darin, dass Russland und Europa aufeinander angewiesen seien. Dennoch beschwor die Verhärtung der gegenseitigen Beziehungen seit der Annexion der Krim Reminiszenzen an die Zeit des Kalten Krieges herauf. Michael Schäfer, der Vorstandsvorsitzende der BMW Stiftung Herbert Quandt, erinnerte zur Eröffnung an die Ostpolitik mit ihrer Vision des „Wandels durch Annäherung“. Auch wenn Russland einen Grundkonsens der Nachkriegsordnung, die Unverletzlichkeit der Grenzen, in Frage gestellt habe, dürfe die Tür zu Verhandlungslösungen nicht zugeschlagen werden.
Russland und die EU: Perspektiven eines neuen Miteinanders
„Russland ist Teil Europas“, bekräftigte Hans-Peter Hinrichsen, Leiter des Russland-Referats im Auswärtigen Amt, in der Eröffnungsdiskussion über die EU-Russland-Beziehungen. Das Verhältnis zu Russland sei aber in einer Krise. Die Verletzung des Völkerrechts durch die Annexion der Krim stelle nicht zuletzt fundamentale Interessen Deutschlands an offenen Märkten und Handel infrage. Hinrichsen begründete die gegen Russland ergriffenen Sanktionen mit dem Versuch, Druck auf Russland auszuüben und Moskau dadurch zur Einwirkung auf die Separatisten in der Ost-Ukraine zu bewegen. Für die EU sah Hinrichsen derzeit nur den Weg einer „selektiven Zusammenarbeit mit Russland“ auf Feldern gemeinsamen Interesses, etwa im Ukraine- und Syrienkonflikt, im Handel, in Klima- und Umweltschutz oder in Migrationsfragen. Auf mittlere Sicht sei ein Nebeneinander von Konfrontation und Kooperation mit Russland zu erwarten.
Einen kritischen Blick auf die EU-Nachbarschaftspolitik warf Elena Korosteleva, Politikprofessorin an der University of Kent in Canterbury. Sie erinnerte an Putins Vision eines „Greater Europe“ von 2001, die an „Drive“ verloren habe. Die EU-Nachbarschaftspolitik mit ihrem Konzept der selektiven Partnerschaft habe Russland ausgeschlossen, das mit der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft (EAWU) sein eigenes Integrationsprojekt verfolge. Dieses werde im Konzept der Östlichen Partnerschaft nicht einmal erwähnt. Für die Kooperation mit der EAWU habe die EU bislang keine Strategie. „Der Ukraine-Konflikt ist eine direkte Folge des Zusammenpralls beider Visionen“, so Korosteleva. Da sich die Gewichte in der Welt hin zu regionalen Machtzentren verschöben, sei eine Kooperation zwischen Europa und Russland aber notwendig, auch und gerade im Interesse kleiner Länder „dazwischen“.
Die Teilnehmer diskutierten anschließend unter anderem über die Beziehungen der NATO zu Russland, den Einfluss der USA auf die EU-Politik und die Nachbarschaftspolitik der EU. Die Erweiterung der NATO nach Osten sei der Wunsch der osteuropäischen Staaten selbst gewesen, so Hinrichsen, der darin keinen Verstoß gegen die NATO-Russland-Grundakte sieht. Er betonte die Bereitschaft der EU zur Zusammenarbeit mit der EAWU unter bestimmten Voraussetzungen (WTO-Mitgliedschaft der EAWU-Mitglieder, Dialogbereitschaft, Beachtung der EAWU-Regeln durch deren Mitglieder). Die Kooperation mit der EU biete insbesondere Russland die Chance gleichberechtigter Partner zu sein, mit China bliebe Russland nur die Rolle als Juniorpartner.