Russland und die Europäische Union im Ukraine-Konflikt
Ukraine-Konflikt: Wege zur Stabilisierung der Region aus Sicht von Russland und der EU
Wie kann das Vertrauen zwischen Russland und der EU wieder zurückgewonnen werden? Zu diesem Thema diskutierten Gernot Erler, Koordinator der Bundesregierung für Russland, Zentralasien und die Länder der Östlichen Partnerschaft sowie Alexander Kamkin, wissenschaftlicher Experte am Europainstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau.
Gernot Erler gab einen sehr detaillierten Einblick in die Ziele der EU bei ihrer politischen Lösungsfindung im Ukraine-Konflikt. Die Hauptziele der EU waren: 1. Wiederherstellung der territorialen Integration der Ukraine, 2. Beenden der blutigen Auseinandersetzungen, 3. Herstellung der weitgehenden Autonomie der Ostukraine unter ukrainischen Gesetzen.
Erler gab zugleich einen Überblick über die derzeitige schwierige finanzielle und humanitäre Situation in der Ukraine. Die kriegerischen Auseinandersetzungen kosten dem Staat nach Angaben der ukrainischen Regierung derzeit fünf Millionen Dollar täglich. Laut IWF gebe es einen Finanzbedarf bis 2018 von 41 Milliarden Dollar – mehr als 17 Milliarden Dollar wurden bereits zur Verfügung gestellt.
500 Millionen Euro wurden als Kredit von der KfW zur Verfügung gestellt davon 265 Millionen Euro für Wasserwirtschaft. Eine Millionen Euro ging direkt aus dem Auswärtigen Amt für konkrete Projekte zum Aufbau der Zivilgesellschaft.
Fünf Millionen Menschen seien hilfsbedürftig. 2,3 Millionen Flüchtlinge aus der Ostukraine sind unterwegs, 60% davon sind Rentner, 680.000 davon sind nach Russland geflohen. In den Separatistengebieten gebe es große Versorgungsengpässe: Allein 1,3 Millionen Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu Trinkwasser.
Alexander Kamkin ging in seinem Vortrag auf die Frage ein, wie gerecht die Sanktionspolitik der EU sei, vor allem vor dem Hintergrund, dass im Rahmen von Minsk II an beide Seiten Forderungen gestellt werden. Hier seien beide Seiten noch im Verzug. Der russischen Seite solle gezeigt werden, dass Kooperation sich lohne, beispielsweise mit einer Teilauflösung der Sanktionen.
Erler erwiderte, dass es in der EU unterschiedliche Interessenlagen gebe. Man habe Sanktionen eingeführt, da man keine militärische Lösung gewollt habe. Druck werde aber auf jeden Fall auf beide Seiten ausgeübt.
Abschließend stellte Erler fest, dass es schon seit langem eine Entfremdung zwischen Russland und der EU gegeben habe, welche die EU lange Zeit ignoriert habe. Dies sei eine der Konfliktursachen, die man aufarbeiten müsse, um wieder zu einer Normalisierung der Beziehungen zurückkehren zu können.
EU und Eurasische Union: Perspektiven eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes
Trotz der Entfremdung zwischen EU und Russland ist ein derzeitig oft diskutiertes Thema die Perspektive eines gemeinsamen Wirtschaftsraumes zwischen der EU und der Eurasischen Union.
Darüber diskutierten Victor Spasskiy, Direktor der Abteilung integrative Entwicklung in der Eurasischen Wirtschaftsunion und Michel Martino aus der Abteilung Europa und Zentralasien des European External Action Service (EEAS) aus Brüssel.
Spasskiy verwies darauf, dass die Eurasische Wirtschaftsunion ein rein wirtschaftliches Projekt sei und keinerlei politischen Absichten habe. In der Wirtschaftsunion gebe es mit den derzeitigen Mitgliedern ein Handelsvolumen von 4 Milliarden Dollar. Derzeit sei man in intensiven Verhandlungen zu Handelsabkommen mit Indien, Ägypten, Vietnam, Neuseeland und Israel. Mit Vietnam ist sogar schon eine Vereinbarung unterzeichnet worden. Dies zeige, dass Russland bzw. die Wirtschaftsunion stark an Kooperationen interessiert sei.
Martino entgegnete, dass 80 Prozent der Einwohner der Eurasischen Union Russen seien, was einen Verweis auf Partnerschaft innerhalb der Union ein wenig in Zweifel ziehe. Die EU sieht dennoch in der Eurasischen Wirtschaftsunion prinzipiell einen Weg für die Modernisierung dieser Region und beschäftige sich daher mit der Frage, unter welchen Bedingungen eine Zusammenarbeit zwischen EU und Eurasischer Wirtschaftsunion gestärkt werden könne.
In Bezug auf die in den nächsten Wochen anstehenden trilateralen Meetings zwischen der EU, Ukraine und Russland angesichts der bevorstehenden Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens EU-Ukraine hoffe die EU sehr auf eine Lösung, die alle Seiten zufrieden stelle.