Gespräche 2016

Deutsch-Russische Beziehungen im Wandel – Perspektiven für eine verstärkte Kooperation?

Führt die Eskalation im Syrien-Konflikt zu einem „neuen kalten Krieg“? Oder wird es noch gelingen die Luftangriffe zu stoppen und gemeinsam mit Russland einen Weg zum Frieden zu finden? Kurz nach den Duma-Wahlen trafen sich in diesem schwierigen Umfeld Mitte Oktober rund 25 Nachwuchsführungskräfte aus Deutschland und Russland zu den 9. Deutsch-Russischen Gesprächen Baden-Baden, um über die Perspektiven für eine verstärkte Kooperation zu diskutieren.

Die Deutsch-Russischen Gespräche in Baden-Baden bieten seit 2007 eine Plattform für den offenen und durchaus kontroversen Meinungsaustausch von jungen Führungskräften aus deutschen und russischen Unternehmen, Sozialunternehmen, den Medien und der Politik zu wirtschaftlichen und politischen Themen. Über den konstruktiven, zwischengesellschaftlichen Dialog hinaus weist das eigentliche Ziel der Gespräche: Ein belastbares Netzwerk aller bisherigen und künftigen Teilnehmer zu bilden, das von seinen Mitgliedern selbst gestaltet wird und aus dem weiteres gesellschaftspolitisches Engagement hervorgeht. Wie das zwischen den inzwischen rund 200 Mitgliedern des Alumni-Netzwerkes organisiert werden kann – dies war neben den thematischen Diskussionen ein wichtiger Bestandteil des diesjährigen Treffens.

Die Teilnehmer diskutierten mit erfahrenen Referenten aus beiden Ländern unter anderem über Russlands Rolle in den internationalen Beziehungen, die Kooperationsmöglichkeiten von Eurasischer Wirtschaftsunion (EAWU) und EU, die Medienlandschaft in Deutschland und Russland und regionale Wirtschaftsentwicklung. Besonders aufschlussreich für viele Teilnehmer war der neue Programmpunkt Neue Seidenstraße, eine chinesische Initiative die mit ihrem inklusiven Ansatz große Entwicklungschancen für alle Anrainerstaaten birgt, wie es der Stiftungsvorsitzende Michael Schaefer überzeugend darlegte.

Einig war man sich darin, dass Russland und die EU viele internationale Fragen nur gemeinsam beantworten könnten, auch wenn die Zusammenarbeit derzeit schwierig sei. „Russland ist Teil Europas“, bekräftigte etwa Hans-Peter Hinrichsen, Leiter des Russland-Referats im Auswärtigen Amt, in der Eröffnungsdiskussion. Für die EU sah Hinrichsen derzeit nur den Weg einer „selektiven Zusammenarbeit mit Russland“ auf Feldern gemeinsamen Interesses, etwa im Ukraine- und Syrienkonflikt, im Handel oder in Migrationsfragen und auf mittlere Sicht ein „Nebeneinander von Konfrontation und Kooperation mit Russland.“

In der EAWU sieht Alexander Libman, Professor für Sozialwissenschaften und Osteuropa-Studien in München, einen Dialogpartner für die EU, die mit dieser supranationalen Organisation derzeit leichter ins Gespräch kommen könne als mit Russland alleine. Erwartungsgemäß kontrovers verlief die Diskussion zur Rolle staatlicher Medienpolitik und freier Berichterstattung bei der öffentlichen Meinungsbildung, in der die Teilnehmer unter anderem die Frage erörterten, wie unabhängig die Medien in Deutschland seien.

In drei Workshops diskutierten die Teilnehmer untereinander zudem über die Energiekooperation zwischen EU und EAWU, das chinesische Seidenstraßen-Projekt und über die Abwanderung von Fachleuten aus Russland („Brain Drain“) und was Staat und Unternehmen dagegen tun könnten. Besonders intensiv verlief dabei die Diskussion über die Vor- und Nachteile flexibler Arbeitszeitmodelle, in die die Teilnehmer ihre spezifischen Erfahrungen aus ihren Unternehmen einbrachten.

Den festlichen Rahmen zum offiziellen Programm bildete das Dinner im Kurhaus-Casino in Baden-Baden. Hier gab der CDU-Bundestagesabgeordnete Christian Hirte eine sehr persönliche Einschätzung der deutsch-russischen Beziehungen und lobte die deutsche Wirtschaft für ihren fortgesetzten Dialog mit Russland. Darauf folgte ein positiver Ausblick des russischen Dinner-Redners Alexey Komissarov auf die wirtschaftlichen Möglichkeiten seines Landes. Der Direktor des Fonds für industrielle Entwicklung äußerte sich überzeugt, dass Digitalisierung und technologische Innovationen Russland nach vorne brächten.

Nach den vielen umstrittenen Themen des Konferenzprogramms war dies eine willkommene Zukunftsperspektive mit großen Chancen für die künftige Zusammenarbeit.