Mittelständische Unternehmen und Konzerne im weltweiten Wettbewerb

Inwieweit sich auch mittelständische Unternehmen und Konzerne im weltweiten Wettbewerb behaupten können und müssen, war die Frage, mit der sich die Teilnehmer am zweiten Seminartag beschäftigten. In Deutschland gibt es etwa 3,7 Millionen mittelständische Unternehmen. Diese gelten als Rückgrat der Wirtschaft und beschäftigen zwei Drittel aller Arbeitskräfte in Deutschland. In Russland ist der Prozentsatz wesentlich geringer. In den Vorträgen wurde deutlich, dass kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in beiden Ländern aufgrund geringerer finanzieller Ressourcen besonders stark von der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise des vergangenen Jahres betroffen waren.

Die Rolle des Mittelstands in Deutschland

Dr. Norbert Irsch, Chefvolkswirt der KfW Bankengruppe in Frankfurt am Main, ging in seinem Impulsvortrag im Wesentlichen auf die Rolle des industriellen Mittelstands ein und analysierte, wie stark dieser von der Wirtschafts- und Finanzkrise betroffen war. Zunächst stellte Irsch die Struktur des deutschen Mittelstands dar: In Deutschland gehören etwa acht Prozent der mittelständischen Unternehmen zum verarbeitenden Gewerbe. Etwa zehn Prozent lassen sich dem Baugewerbe zuordnen, 20 Prozent dem Handel, 36 Prozent der Beratungsbranche und 26 Prozent den sogenannten nicht-wissensintensiven Dienstleistungsbereichen wie beispielsweise dem Gastgewerbe. Der Chefvolkswirt betonte, dass die dominante Mittelstandsstruktur in Deutschland keine Besonderheit im internationalen Vergleich darstelle. „Sehr viele Industriestaaten haben eine ähnlich kleinteilige Unternehmensstruktur. Allerdings ist der sogenannte industrielle Mittelstand eine deutsche Besonderheit“, sagte Irsch. Darüber hinaus habe er eine entscheidende Bedeutung für die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Hinsichtlich der Innovationsaktivitäten lasse sich feststellen, dass vor allem jüngere mittelständische Unternehmen, die weniger als fünf Jahre als sind, am innovativsten seien. Rund die Hälfte aller Umsätze und fast 40 Prozent aller Unternehmensinvestitionen in Deutschland entfielen auf diese Unternehmen. Viele der innovationsstarken Unternehmen seien auch sogenannte Hidden Champions, das heißt wenig bekannte Weltmarktführer mit ihren Produkten. Die Innovationsaktivität nehme mit der Unternehmensgröße deutlich zu.

Wie aber finanzieren kleinere und mittlere Unternehmen (KMU) ihre Investitionen in Deutschland? 51 Prozent des Investitionsvolumens würden mit Hilfe von Eigenkapital finanziert. Der Rest müsse mit Bankkrediten finanziert werden. Insofern „haben Bankkredite bei der externen Finanzierung des Mittelstands in Deutschland eine hohe Bedeutung“, betonte Irsch. Während der Krise seien die Finanzierungsbedingungen sehr viel schwieriger geworden.

In Russland haben KMU bislang keinen Zugang zu langfristigen Finanzierungsquellen. Einige der Unternehmen sahen daher in der Wirtschafts- und Finanzkrise ihre Existenz gefährdet. Sie befanden sich in einem regelrechten Schockzustand. In Deutschland habe eine Befragung der führenden Banken gezeigt, dass sich die Wirtschaft seit Sommer 2010 deutlich erhole.

Der Mittelstand habe das Tal der Depression verlassen. Die Geschäftslage sei fast so gut wie bei den großen Unternehmen und die Innovationsbereitschaft steige an.

„In größeren Krisen wirkt der Mittelstand in Deutschland auch Konjunktur stabilisierend. Aufgrund seines ökonomischen Gewichts ist der Mittelstand in Deutschland von enormer Bedeutung für Beschäftigung und Innovationsleistung“, fasste Irsch am Ende seine Beobachtungen zusammen.

Im Anschluss an den Vortrag diskutierten die Teilnehmer über die Rahmenbedingungen, unter denen sich der industrielle Mittelstand in Deutschland entwickeln konnte. Die Frage, wie Russland solch einen aktiven und ökonomisch starken Mittelstand schaffen könne, blieb offen.

Bericht aus der Praxis: Knauf Gips KG

Nikolaus Knauf, Geschäftsführender Gesellschafter der Knauf Gips KG und zweiter Redner des Tages, berichtete eindrucksvoll, wie sich mittelständische Unternehmen erfolgreich auf dem Weltmarkt positionieren können. Knauf selbst hat aus einem Betrieb mit einigen wenigen Standorten ein global agierendes Unternehmen aufgebaut.

Was müssen junge Unternehmer tun, um ihr Produkt auf dem globalen Markt zu positionieren? Knauf betont, dass man zunächst ein attraktives Produkt haben müsse, das sich auch weltweit vermarkten lässt. Also ein Produkt, das jeder braucht. Gleichzeitig mahnt der Unternehmer: „Die Sprache ist der Schlüssel zu jedem Land. Wenn Sie einen Markt erschließen wollen, brauchen Sie entsprechende Sprachkenntnisse.“ Konsumverhalten und Geschmacksausrichtung des jeweiligen Landes könnten nur erkannt werden, wenn man entsprechende Sprachkenntnisse habe. Darüber hinaus müssten die Mitarbeiter des Unternehmens zwingend die gültigen Zollvorschriften kennen.

Eine der größten Herausforderungen sei die Suche nach geeignetem Personal. Aber Knauf ist optimistisch: „Gute Leute finden Sie überall! Sie müssen nur richtig suchen.“ Darüber hinaus seien auch gute Berater und der regelmäßige und intensive Kontakt zu den Außenhandelskammern von enormer Bedeutung, um von deren Expertise und Erfahrung zu profitieren. Auch die Frage des geeigneten Standorts griff Knauf mit auf. Damit die Nachfrage langfristig gesichert werden kann, empfahl der Unternehmer aus Erfahrung einen Standort am Rande von Großstädten. Dadurch könnten einerseits die Nachfrage aus der Stadt bedient und gleichzeitig logistische Schwierigkeiten minimiert werden. Die Firma Knauf habe selbst ihr Werk in Russland nicht im Moskauer Zentrum aufgebaut, sondern sei in die unmittelbare Nähe nach Kasnogorsk ausgewichen.

Mit Humor und Optimismus forderte Nikolaus Knauf die Teilnehmer auf, mit neuen Ideen die Märkte zu erobern. „Wenn Sie in ein anderes Land gehen wollen, ist das wichtigste überhaupt, der Wille zur Eroberung!“

2010 Gespräche - Mittelstand